Mit der Schadteilanalyse (auch Befundung oder Root-Cause-Analysis) bezeichne ich die Analyse von Schadteilen, von der Symptombeschreibung bis zur technischen und prozessualen Ursache. Ebenfalls Bestandteil der Schadteilanalyse ist das Definieren von Anforderungen, abgeleitet aus der Fehlerursache der Schadteile an zukünftige Produkte, die über das Anforderungsmanagement der Produktentwicklung zur Verfügung gestellt werden (Schnittstelle zum Anforderungsmanagement). Aber auch das Erstellen von effektiven und effizienten Reparaturmaßnahmen, wenn der Fehler in einem größeren Maßstab auftritt, ist ein Bestandteil der Schadteilanalyse (Schnittstelle zum Reparaturmanagement).
Es hat mich immer wieder überrascht, das eine nicht unerhebliche Menge an Unternehmen keinen großen Fokus auf die Schadteilanalyse legen. Dabei spielt die Schadteilanalyse die zentrale Rolle, wenn ein Unternehmen eine nachhaltig hohe Produktqualität erzielen möchte. Denn eine gute Schadteilanalyse hilft Unternehmen die technischen Wirkketten ihrer Produkte besser zu verstehen und somit zuverlässigere und robustere Produkte zu entwickeln. In der Regel sehen Unternehmen mit der Schadteilanalyse keine wertschöpfende Tätigkeit, was zum Teil auch richtig sein mag. Aber, eine gute Schadteilanalyse hilft Ihnen die Qualität für aktuelle und zukünftige Produkte zu verbessern und die Qualitätskosten (Z.B. Gewährleistung, Nacharbeit) zu reduzieren.
Was zeichnet eine gute Schadteilanalyse aus?
- Beherrscht den Logistikprozess der Schadteilbeschaffung. Die „richtigen“ Schadteile sind im Rahmen des definierten Stichprobenumfanges schnell im Befundungslabor verfügbar.
- Unternehmensweit einen einheitlichen gültigen Fehlercode. Vor allem große Konzerne haben nicht immer einen unternehmensweit einheitlichen Fehlercode (Kundendienst, Entwicklung und Produktion verfügen jeweils über einen eigenen Fehlercode, die gegenseitig nicht referenziert sind).
- Direkten Zugriff auf die Daten der Fehlermeldung (interne oder externe Meldung durch Kunde/Handelsorganisation). Fehlermeldungen sind vollständig und elektronisch erfasst und somit IT-technisch auswertbar. Auf Basis der Fehlermeldungsdaten lassen sich bereits erste Analysen durchführen, die Fehlerursachen bereits ausschließen bzw. mögliche Fehlerursachen priorisieren. So können Fehlermeldungen mit dem gleichen Fehlerbild bspw. hauptsächlich aus einem Land kommen oder die Fehlerbedingung immer mit Nässe in Verbindung stehen. Fehlermeldungen enthalten folgende Informationen:
- Symptombeschreibung (verortet auf Fehlerort, -lage, -art, -bedingung)
- Länderherkunft
- Produktionsmonat
- Verkaufsmonat
- Diagnosecode, wenn angewendet
- …
- Verfügt über einen guten Diagnosecode. Das bedeutet, das die Diagnose schnell und mit einer hohen Wahrscheinlichkeit die Ursache auf Basis des Fehlerbildes identifiziert. Hilfreich ist auch, wenn die Diagnose mögliche Fehlerursachen ausschließen kann.
- Definierte Prüfverfahren/-methoden bei bekannten Fehlerbilder um Fehlerursache zu bestätigen.
- Detektivisches Vergehen bei unbekannten Fehlerbildern mit hoher Fehlerrate pro Bauteil. Analyse erfolgt durch Expertenteam aus Entwicklung, Produktion und Qualität (Befundung). Es besteht das Risiko, wenn die Schadteilanalyse mit nicht ausreichend qualifizierten Mitarbeiter besetzt wird, dass nicht alle Fehlerursachen identifiziert werden, mit der Folge, dass die Produktqualität und Qualitätskosten keine Verbesserung erfahren.
Insbesondere bei komplexen mechatronischen Produkten (z.B. Automobile) kann die Suche nach der Fehlerursache Monate dauern und eine Vielzahl an Experten binden, die in einem Problemlösungsteam zusammengefasst sind. - Ausreichende Laborkapazitäten und -kompetenzen um sicherzustellen, dass für alle relevanten Fehlerbilder (hohe Fehlerrate pro Bauteil) die Fehlerursache gefunden wird.
- Die Schadteilanalyse wird von der Unternehmensführung gefordert und gefördert. Um die Wertigkeit und Wirksamkeit der Befundung im Unternehmen zu verankern, ist es wichtig, dass die Führung die Befundung entsprechend befähigt und mit Kennzahlen verzielt.
Was kann eine gute Schadteilanalyse leisten?
- Reduzierung der Gewährleistungskosten für die Produkthersteller und für Zulieferer eine Reduzierung der Regresskosten/-forderungen.
- Eine gute Schadteilanalyse erkennt für Produkte, die bereits in Serie sind über die Felddaten sehr schnell einen Hochläufer (Fehlerbild, das in hoher Anzahl ansteigt) und kann die Ursache und die darauf abgeleiteten Reparaturmaßnahmen schnell umsetzen und somit Gewährleistungskosten reduzieren.
- Eine gute Schadteilanalyse ist besonders für Zulieferer wichtig, da häufig unberechtigte Regressforderungen von den Kunden gestellt werden. In diesem Fällen sind die von den Kunden reklamierten Zukaufteile nachweislich defekt, die Ursache für den Defekt ist jedoch nicht im Zukaufteil selbst zu finden, sondern außerhalb der Verantwortung des Zulieferers. Konkret hierzu einige Beispiele: Spezifikationsfehler der Kunden, Montagefehler beim Kunden, Zerstörung bei der Reparatur und Defekt des Zukaufteils wird durch die Schnittstelle zu einer anderen Komponente ausgelöst (fehlerhafte Integration durch Kunden).
- Nachhaltige Verbesserung der Produktqualität und damit auch eine Reduzierung von Qualitätskosten (Gewährleistung, Nacharbeit, …) durch das Verstehen von technischen Wirkzusammenhängen, die aus der Root-Cause-Analyse in Form von Lessons Learned abgeleitet wurden. Die auf Basis der Root-Cause-Analyse gewonnenen Erkenntnisse werden in Form von Anforderungen in die Produktentwicklung von neuen Produkten eingesteuert.

Vertiefende Informationen zum Erheben von Lessons Learned und dem Einbringen in das Anforderungsmanagementsystems des Unternehmens können Sie unter dem folgenden Link erfahren:
https://qualitätssprechstunde.de/lessons-learned/
Fazit:
Meine Empfehlung: Investieren Sie in eine gute Schadteilanalyse. Sie werden mit einer nachhaltig verbesserten Produktqualität belohnt und einer Reduktion Ihrer Qualitätskosten.
In vielen Fällen finanziert sich die Schadteilanalyse über die Reduktion der Qualitätskosten selbst und erzielt darüber hinaus noch eine Kosteneinsparungen für Ihr Unternehmen.
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Nachfolgend eine kurzes Erklärvideo zum System Root-Cause-Analysis und ein Verweis auf den VDA Standard zur Schadteilanalyse in der Automobilindustrie:
Link auf den VDA Band zur Schadteilanalyse, der einen guten Überblick gibt, wie die Automobilindustrie den Umgang mit schadhaften Zukaufteilen regelt: