Ein Plädoyer für einen scheinbar unspektakulären Beruf. Zugegeben die Berufe im Rahmen des Qualitätsmanagement sind vielseitig, aber keiner ist so richtig sexy, um abends an der Bar Eindruck schinden zu können. So können Entwickler von neuen und innovativen Funktionen sowie schicken Designs berichten und die Produktionsplaner und -steuer von innovativen und technologisch spannenden Produktionsabläufen. Nicht einmal für die Produktqualität sind die unterschiedlichen Qualitätsmanagementrollen verantwortlich. Sie planen und steuern „nur“ die Produktqualität.
Und trotzdem sind die unterschiedlichen Rollen des Qualitätsmanagement, die sich um das Planen und Steuern der Produktqualität drehen aus meiner Sicht sehr spannend und müssen sich nicht hinter Rollen in der Entwicklung oder Produktion „verstecken“.
Faszinierend an der Tätigkeit zur Verbesserung der Produktqualität finde ich die tiefen Einblicke, die man in die wertschöpfenden Unternehmensbereiche erhält, die in dieser Form nur wenige Rollen im Unternehmen haben. So sind Q-Rollen in ihrer Tätigkeiten zur Verbesserung der Produktqualität beispielsweise in den folgenden Bereichen gestaltend aktiv:
- Entwicklung: Vermeiden von Produktfehlern durch Einbringen von Lessons Learned in die Produktentwicklung und durch präventiver Qualitätsarbeit für neue bzw. innovative Produktumfänge sowie Verfolgung und Absicherung der Q-Anforderungen über die Produktentwicklung.
- Produktion: Vermeiden von Fertigungs- und Montagfehlern, Vermeiden von Nacharbeit, Sicherstellen der Prozesssicherheit vom Lieferant (Anlieferqualität) bis zur Übergabe an den Kunden durch den Händler (Auslieferungsqualität).
- After Sales (Service): Reduzierung der Gewährleistungs-/Kulanzkosten durch effiziente und effektive Diagnose, schnelles erkennen von Serienschäden und das Erstellen von kostengünstigen Reparaturmaßnahmen. Befundung von Schadteilen (Schadteilanalyse).
- Einkauf: Erstellen von Qualitätsvorschriften für Lieferanten, Lieferantenbefähigung, Sicherstellen der Qualität der Zukaufteile, Lieferantenaudits.
- Finanzwesen: Bewertung und Berechnung der Rückstellungen für Gewährleistungskosten.
- Qualitätsmanagement: Problem-Management, Q-Prognose (Planung und Steuerung der Produktqualität), Betreiben des Managementsystems QM mit seinen Normen und Richtlinien und Auditierungen, Befähigung der Organisation mit Q-Methoden (z.B. Six Sigma), Initiativen zur Unternehmensexzellenz (z.B. EFQM, Deming), Initiieren von Problem-Lösungs-Teams bei komplexen und häufig auftretenden Fehlerbildern.
In der nachfolgenden Abbildung sind die Unternehmensbereiche mit Ihren Stellhebeln zum Beeinflussen der Produktqualität abgebildet.

Die Q-Rollen, die sich mit der Planung und Steuerung der Produktqualität beschäftigen sind die „Hüter“ der Produkteigenschaft Qualität, auch wenn sie diese nicht verantworten. In der Regel liegt die Verantwortung für die Produkteigenschaft Qualität bei den meisten Unternehmen in den Händen der Entwickler (oder führen die Prozesskette aus Entwicklung, Produktion und Einkauf an). Die Entwickler haben die Herausforderung unterschiedliche Produkteigenschaften wie Funktion, Geometrie, Gewicht, Verbrauch, Kosten, Qualität, … konfliktfrei auszulegen.
Während der Produktentwicklung hat die Produktqualität schlechte Karten, da sie im Gegensatz zu den anderen Produkteigenschaften nur eine Qualitäts-Prognose mit dem Fokus auf den Produktionsstart anbieten kann und nicht über tatsächliche (IST-) Werte zum aktuellen Entwicklungsstand verfügt, wie z.B. die Produkteigenschaften Gewicht oder Kosten.
Im Zweifel wird sich der Entwickler gegen eine Q-Maßnahme zur Verbesserung der Produktqualität entscheiden, wenn er damit sein Kostenziel (z.B. verhandelter Komponenten-Preis mit Lieferanten) erreichen kann, da er bei der Q-Prognose immer mit einer Wahrscheinlichkeit argumentieren kann, dass die Produktqualität in der Serie besser als prognostiziert ausfallen könnte.
Und jetzt beginnt der Job der Qualitätsplaner und -steuerer in der Entwicklung interessant zu werden, da hier das größte Potential für eine gute Produktqualität zu heben ist.
Die Q-Rollen haben dafür zu sorgen, dass die Qualitäts-Prognose ausreichend belastbar ist, so dass ein Entwickler diese nicht „missachten“ kann. Das ist nicht immer einfach aber zwingend notwendig, wenn man eine gute Produktqualität erreichen möchte.
Häufig habe ich von Entwicklern den folgenden Satz (sinngemäß) gehört:
„Die Qualität kann mir nicht helfen und sitzt nur auf der Tribüne und schaut mir zu, wie ich mit den Problemen kämpfe“.
Das mag so stimmen. Es ist aber auch nicht der Job der Qualität die Probleme der Entwickler zu lösen.
Die Qualität ist aber gut beraten das Produkt technisch zu verstehen (Beherrschen der technischen Wirkketten) und den Entwickler beratend bei der Definition von Q-Maßnahmen zu unterstützen.
Entwickler sind intrinsisch motiviert ein qualitativ hochwertiges Produkt zu entwickeln, so dass Qualitätsverbesserungen gerne aufgenommen werden, wenn diese gut begründet und wirtschaftlich (Business Case) aufbereitet sind.
Die Aufgabe der Q-Rollen ist es somit den Entwicklern die Handlungsbedarfe aus Sicht der Produktqualität transparent und belastbar (technisch und wirtschaftlich) über die Qualitätsprognose aufzuzeigen. Die Definition und Genehmigung von geeigneten Maßnahmen zur Verbesserung der Produktqualität ist dann nur noch eine „handwerkliche“ Herausforderung. Die Chance für eine hohe Produktqualität ist besonders hoch, wenn diese beiden Rollen gut harmonieren.
Besonders spannend ist die Qualitätsarbeit dann, wenn die Q-Rollen ihren Prozesspartnern (z.B. Entwickler) zu konkreten Problemen Unterstützung und Beratung anbieten können. Wenn das der Fall ist, dann ist den Q-Rollen zur Steuerung der Produktqualität die Wertschätzung der Prozesspartner aus den Bereichen Entwicklung, Produktion, After Sales oder Einkauf sicher.
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In diesem Video wird ein Überblick über das Qualitätsmanagement als System im Unternehmen vermittelt.
Hier noch der Link auf die Homepage der EFQM, zum Thema Unternehmensexzellenz.