Was ist beim Autokauf zu beachten, wenn man ein Fahrzeug mit einer guten Produktqualität erwerben möchte? Dieser Impuls richtet sich nicht – wie üblich – an die Hersteller von Produkten der diskreten Fertigung, sondern an die Käufer dieser Produkte und ganz explizit an die Käufer von Automobilen. Sie erhalten einen Überblick, was bei einem Autokauf zu beachten ist, wenn die Fehlerfreiheit und somit eine gute Produktqualität das oberste Ziel des Fahrzeugkaufs sein sollte. Hierzu vorab eine Frage. Was glauben Sie, welches Fahrzeug über die Lebensdauer mehr Fehler aufweisen wird:

  1. Der Kompaktwagen eines Premiumhersteller in der Basisversion ohne Sonderausstattungen oder
  2. Der große SUV, ebenfalls eines Premiumhersteller in der Vollausstattung, d.h. mit allen verfügbaren Sonderausstattungen, die der Hersteller anbietet?
    Die Antwort finden sie weiter unten im Text.

Anlaufschwierigkeiten bei neuen Modellen

Sollte die Fehlerfreiheit (Produktqualität) bei einem Autokauf das höchste Zeil sein, dann empfehle ich, ein Fahrzeug zu kaufen, das bereits länger als ein Jahr in Serie produziert wird, denn bis dahin sind die „Kinderkrankheiten“, wie der Volksmund so schön sagt, ausgemerzt. Und das ist kein Märchen, sondern Realität. Die meisten Autohersteller lassen in ihrem Zielsystem im ersten Jahr einer Serienproduktion mehr Fehler zu als in den verbleibenden Jahren der Produktion. Das hat damit zu tun, dass nicht alle in der Testphase gefundenen Fehler bis zum Produktionsstart behoben werden können. Wenn die Fehler innerhalb des Gewährleistungszeitraumes auftreten, was sie in der Regel auch tun, sind Kosten der Fehlerbeseitigung durch den Hersteller abgedeckt. Trotzdem ist es ärgerlich, wenn man sein Fahrzeug außerplanmäßig in die Werkstatt bringen muss. Darüber hinaus kann sich der Gesamtzustand des Fahrzeuges verschlechtern, wenn die Fehlerbehebung umfangreiche Umbau- und Ausbaumaßnahmen beinhalten (Kabelbaum, Cockpit, Leitungen, …). Noch ärgerlicher ist es natürlich, wenn der Fehler nach Ablauf der Gewährleistung auftritt und man für dessen Behebung selbst bezahlen muss.

Es gibt Hersteller, die mittlerweile versuchen bereits zu Produktionsstart die gleiche „Qualität – Fehlerfreiheit“ zu erlangen wie am Ende der Serienproduktion, mit der Begründung, dass sich ein verkauftes Fahrzeug in der Qualität für den Kunden über den gesamten Produktionszeitraum nicht unterscheiden darf, egal, ob es sich um das erste oder das zuletzt produzierte Fahrzeug handelt. Dazu werden Absicherungen (Tests) in der Entwicklungsphase früher durchgeführt (vor allem virtuell), um genügend Zeit zu haben, die Fehler vor Produktionsstart zu beheben. Mit Sicherheit wird das trotz des hehren Anspruches nicht immer gelingen.

Antriebsstrang

Bei einem Fahrzeug ist der Antriebsstrang (Motor und Getriebe) aufgrund seiner Komplexität und der vielen Bauteile, der Umfang, der über die Lebensdauer die meisten Fehler verursacht.

Wenn man diese Fehlerquelle reduzieren möchte, wäre die erste Wahl ein Elektroauto. Dieses verfügt ebenfalls über einen Motor und ein Getriebe, jedoch mit geringer Komplexität und mit viel weniger Bauteilen. So besteht der Elektromotor hauptsächlich aus einem kupferumwickelten Rotor und Stator, und ist somit um ein Vielfaches „einfacher“ und weniger fehleranfällig als ein Verbrennungsmotor, insbesondere, wenn dieser noch „aufgeladen“ ist und über einen Turbolader verfügt. Genauso verhält es sich mit dem Getriebe. In der Regel verfügen Elektroautos über ein Eingang-Getriebe, das von der Größe und Komplexität einen Bruchteil dessen darstellt, was Getriebe für Verbrennungsmotoren beanspruchen.

Darüber hinaus sind die Wartungskosten bei einem Elektrofahrzeug deutlich geringer (Kein Ölwechsel, kaum Verschleiß beim Bremsen, wenn hauptsächlich über den Motor gebremst wird, …)

Die Anzahl an „Sonderausstattungen“

Die Anzahl an Sonderausstattung in einem Fahrzeug hat Auswirkungen auf die Fehleranzahl über die Lebensdauer. Das hat zwei Gründe.

Der erste Grund: Mehr Sonderausstattungen bedeuten mehr Funktionen und mehr Bauteile und somit mehr Fehlerquellen.
Der zweite Grund ist in der Integration der Sonderausstattungen im Fahrzeug zu finden. Es gibt millionenfache Kombinationen, wie Fahrzeuge über ihre Sonderausstattungen konfiguriert werden können. Nicht alle Konfigurationen können in der Entwicklungsphase vollständig abgesichert werden, so dass für jede Fahrsituation alle möglichen Kombinationen aller Fehler identifiziert und abgestellt werden. In der Integration und der damit verbundenen Kombination der Sonderausstattungen sind weitere Fehlerquellen enthalten, die der Hersteller auch in seinen Absicherungen in der Entwicklungsphase nicht identifiziert hat.

Somit lässt sich die Frage, welches der beiden Fahrzeuge öfters in der Werkstatt anzutreffen sein wird sehr einfach beantworten. Es wird der große SUV mit der Vollausstattung sein. 

Studien zur Zuverlässigkeit von Fahrzeugen

Es gibt unterschiedliche Studien, die jährlich Einblicke in die Zuverlässigkeit und somit zur Fehlerfreiheit von Fahrzeugen gewähren. Es gibt allerdings nur zwei ernsthafte Studien, die auf Basis von realen Kundendaten belastbare Aussagen zur Fehlerfreiheit von Fahrzeugen liefern. Dabei handelt es sich um die beiden Studien IQS und VDS des amerikanischen Marktforschungsunternehmen JP Power. Diese beruhen auf nachweisbaren Kundenbefragungen und verfügen über einen ausreichend großen Stichprobenumfang. Hier werden die einzelnen Marken und ihre Fahrzeugmodelle in den jeweiligen Fahrzeugkategorien (z.B. Mittelklasse) bewertet und gegenübergestellt. Man kann sich die Bewertung ein bisschen wie bei der Stiftung Warentest vorstellen, jedoch testet JP Power nicht selbst, sondern bewertet, wie bereits erwähnt über die Kundenbefragungen, um zu einem Ranking der einzelnen Marken und Fahrzeuge zu gelangen. Deutsche Studien, wie der TÜV Report oder die ADAC Pannenstatistik können auch Anhaltspunkte liefern. Diese sind allerdings mit Vorsicht zu genießen, da diese kein vollständiges Bild abbilden können. In der ADAC Pannenstatistik werden beispielsweise Premiumfahrzeuge, die vom mobilen Services des jeweiligen Herstellers „abgeschleppt“ bzw. wieder flott gemacht werden nicht erfasst. Auch der TÜV Report ist nur ein Blitzlicht zu einem Fahrzeug zu einem Zeitpunkt und kann von seinem Prüfraster viele Fehlermöglichkeiten gar nicht erkennen, insbesondere, wenn wir über Softwarefehler sprechen.

So bleiben die beiden Studien IQS und VDS des Marktforschungsunternehmens JD Power. In den USA werden diese Studien von den Kunden vor dem Kauf eines Fahrzeuges gelesen und haben für den amerikanischen Markt eine große Bedeutung, da diese implizit Kaufempfehlungen abgeben und somit auch von den Herstellern mit großer Aufmerksamkeit verfolgt werden. Auch für deutsche Käufer lohnt es sich diese Studien beim Autokauf in Bezug auf die Produktqualität zu beachten.

IQS – Initial Quality Study

U.S. Initial Quality Study (IQS) | J.D. Power (jdpower.com)

VDS – Vehicle Dependability Study

U.S. Vehicle Dependability Study | J.D. Power (jdpower.com)

Zusammenfassung

Die Beachtung der oben genannten Punkte wird sicherlich den ein oder anderen ungeplanten Werkstattaufenthalt mit einem Fahrzeug verhindern. Allerdings ist die Produktqualität von Fahrzeugen, für ein Produkt dieser Komplexität mit vielen unterschiedlichen Anwendungsfällen extrem hoch, so dass die in diesem Impuls genannten Hinweise beim Autokauf durchaus zu beachten sind, jedoch nicht das ausschließliche Kaufkriterium darstellen sollten. Beispielsweise würde ich nicht auf Sonderausstattungen, die sinnvoll und nützlich sind aufgrund von zusätzlichen möglichen Fehlern verzichten. Aber das ist eine persönliche Entscheidung, die jeder auf Basis seiner Vorlieben und Leidenschaften selbst treffen darf.

Und hier noch ein Video, das einen Auszug aus dem VDS 2022 zeigt: